Ölbergnische



 

                                                                                                                             1.  Restaurierung

                                                                                                                             2.   Einweihung der Bronzeplastik am 1. Mai 2011

                                                                                                                             3.   Grußworte am 1. Mai 2011

                                                                                                                             4.   Wortlaut des Wettbewerbs zur Gestaltung der Nische

                                                                                                                                  und Vorstellung der eingereichten künstlerischen Entwürfe

An der südlichen Außenwand des Chores befindet sich eine Ölbergnische. Da die Marbacher Alexanderkirche mit den ihrem Namenspatron Alexander, dem sechsten Papst der Kirchengeschichte, zugeschriebenen Reliquien, früher ein vielbesuchter Wallfahrtsort war, kann man sich lebhaft vorstellen, wie nicht nur am dritten Mai, dem Namenstag des Kirchenpatrons, sondern ganz besonders in der Passionszeit Andachten auch vor der Ölbergnische stattfanden. Die Ölbergnische war für die einfache Bevölkerung ein Ort, an dem geistliches und gottesdienstliches Leben stattfand. Hier wurde an den letzten Abend von Jesus im Garten Gethsemane erinnert.

Mit der Einführung der Reformation im Herzogtum Württemberg im Jahre 1534 hatte es damit ein Ende. Die Schutzverkleidung der Nische kam abhanden, die Landschaftsdarstellung an der Rückwand verblasste, die Holzfiguren der Ölbergdarstellung wurden 1923 zur Finanzierung einer Chorfenstererneuerung verkauft und die Nische selbst verlotterte im Laufe der Jahrhunderte.

Erst zum Abschluss der umfassenden Renovierung der Kirche wurde in den Jahren ab 2005 die Nische restauriert und konserviert, ein handgeschmiedetes Gitter angebracht und sie erhielt eine zeitgenössische Bronzeskulptur.

Seit 2012 wird nun die Tradition der Ölbergandachten am Gründonnerstag vor der nun geöffneten Ölbergnische wieder aufgenommen.

Die Restaurierung

Die ursprüngliche Vergitterung war nicht mehr vorhanden, die Holzfiguren waren zusammen mit dem Sakristeischrank 1923 verkauft worden. Die Landschaftsdarstellung an der Rückwand der Nische zeigt nur noch rudimentäre Reste der Malerei.

Bereits in der Mitgliederversammlung am 17.03.2004 hatte Hartmut Braun seinen damals kühnen Gedanken vorgetragen, der von ihm als "offene Wunde" bezeichneten Ölbergnische ein der Gotik angenähertes Schutzgitter zu gönnen, die über 500 Jahre alte, nur noch fragmentarisch erkennbare Bemalung zu restaurieren und die ursprüngliche Szene neu mit Figuren zu beleben. 

Im Frühjahr 2005 machte sich Restaurator Peter Volkmer daran, die Malerei und die offenen Wandteile zu restaurieren und zu konservieren. Aber alle Mühe war vergebens: Wie befürchtet, nutzten Jugendliche die Nische erneut als Treffpunkt. Sie malten und ritzten Initialen, Namen, Hakenkreuze und Peacezeichen in die historischen Putz-und Malereireste sowie die Quadersteine. Mit wiederum hohem Arbeits-und Kostenaufwand entfernte der Restaurator im Juni 2008 in millimetergenauer Feinarbeit erneut die Graffitis und sicherte die gelösten Putzränder und die hohl liegenden Putzpartien.


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Aus den vorgelegten Entwürfen von Rolf Allmendinger aus Vaihingen/Enz, der am Ludwigsburger Schloss umfangreich tätig gewesen war, wählte der Kirchengemeinderat das jetzige, im September 2007 angebrachte, ganz von Hand kunstgeschmiedete Gitter aus. Es fügt sich in seiner Schlichtheit gut in das spätgotische Bauwerk ein. Die Stäbe aus Vierkanteisen, wie sie auch zwischen 1480 und 1500 verwendet wurden, stehen über Eck und nehmen so die kantigen Rippen der Steineinfassungen der Chorfenster auf. Der Meister erntete viel Beifall und Anerkennung.


Die ursprünglichen Holzfiguren, im Kirchengemeinderatsprotokoll von 1923 als wurmstichig bezeichnet, blieben endgültig verschollen. Die Vorstandsmitglieder Hartmut Braun und Arnegunde Bärlin erhielten den Auftrag, Künstler zu suchen, die dem Thema Ölbergszene und dem Geschehen darin eine neue Gestalt in zeitgenössischer Darstellung geben. 

Das Ergebnis zahlreicher Gespräche mit Bildhauern und Kunstverständigen sowie vieler Atelierbesuche wurde in einem  Arbeitskreis, der, auch zu der offenen Frage der Chorfenster, gebildet worden war, erörtert. Daraus ergab sich die Ausschreibung eines engeren  Wettbewerbs (siehe unten).
Die Begutachterkommission wählte daraus im März 2010 die Bronzeplastik der Bildhauerin Michaela A. Fischer aus Auenstein aus und sprach ihr den ersten Preis zu. 

Das Ergebnis und die eingereichten Arbeiten wurden an Ostern 2010 in der Alexanderkirche präsentiert.

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Das Foto aus der Halle der Kunstgießerei Skulptur-Manufaktur Rohr in Niefern-Öschelbronn zeigt den Guss  eines Teils der neuen  Bronzeplastik.

Die feierliche Enthüllung der Bronzeplastik fand am 1. Mai 2011 nach dem Festgottesdienst zum Alexandertag und zum zwanzigjährigen Bestehen des Vereins mit der Predigt von Dekan i.R. Friedrich Necker vor der Ölbergnische statt. Frau Michaela A. Fischer aus Auenstein, die erste Preisträgerin, war bei der feierlichen Enthüllung ihrer Bronzeskuptur anwesend und führte in ihr Werk ein.

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Es war ein großer Tag für den Verein. Der 1. Vorsitzende Dr. Helmut Sorg begrüßte auf das Herzlichste den früheren Marbacher Dekan Friedrich Necker, Reutlingen, und wies auf die Bedeutung dieses besonderen Ereignisses hin.








               Bei der Feierstunde vor der Ölbergnische erinnerte Dekan Necker an die Anfänge des Vereins, ebenso der 2. Vorsitzende Notar i.R. Hartmut Braun, der die Geschichte der ehemaligen Wallfahrtskirche an der Kreuzung wichtiger Handelswege darstellte und weitere Ausführungen zu der Ausgestaltung der Nische in früherer Zeit und aktuell von der ersten Idee bis zur geglückten Vollendung machte. Er sah die Ölbergnische als "weiteren Höhepunkt der Renovierung" der 550 Jahre alten Kirche.


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Für die Künstlerin Michaela A. Fischer aus Ilsfeld-Auenstein war die Enthüllung "ein großartiger Moment nach über einem Jahr Arbeit, Bangen und Zittern. "Meine Vision hat sich bewahrheitet." 

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Die fünfteilige, rund 400 Kilo schwere Bronzewand drücke die Not und Zunkunftsangst des todgeweihten Messias aus. "Mein Werk will ermutigen, sich in schweren Stunden Gott anzuvertrauen, will mahnen gegen Gleichgültigkeit und auffordern, Menschen in Not zu helfen. Wenn nur eine diese Botschaften bei Ihnen ankommt, dann hat sich meine Arbeit gelohnt."

Grußwort von Frau Michaela A. Fischer:
Sehr geehrter Herr Dekan Necker,
sehr geehrter Herr Braun,
sehr geehrter Herr Hertler,
meine Damen und Herren des Kirchengemeinderats
und vor allem liebe Freunde und Förderer der Alexanderkirche,
liebe Gäste!

"...angesichts der zunehmenden Einsamkeit der Menschen heute, ihrer Not, ihrer Zukunftsangst und ihrer Erfahrung, in Schicksalsstunden allein gelassen zu werden..."
so lautete der fragmentarische Auszug der Wettbewerbsaufgabe, die uns fünf Künstlern im Dezember 2009 zuging und über die historische Darstellung der Ölbergszene hinaus eine zeitgenössische künstlerische Interpretation einforderte. Es sind jene Worte, die mich in den Monaten der Entwurfsarbeit am meisten beschäftigten.

Sehr schnell kristallierte sich heraus, dass die Gestalt Jesus symbolhafte Figur und Synonym werden musste für jeden Menschen, der mit seiner Not ringt und mit seinem Gott. Es musste der Brückenschlag gelingen von der historischen Erzählung jener Nacht im Garten Gethsemane zu jenen Orten, von Medien laut kommentierten Tragödien in Fukushima und Lybien einerseits und andererseits zu jenen, die in furchtbarer Stille tagtäglich in Vergessenheit und Gebrechlichkeit dahinsiechen, die in Verzweiflung um sich schlagen, die misshandelt und ihrer Würde beraubt werden.

Wir sind es, die voyeuristisch das Unglück Anderer beäugen.
Wir sind es, die - wie damals Judas - aus Neid, Gier oder Eifersucht den Einzelnen bedrängen und ihn in Abgründe stürzen.
Wir sind es,  - wie damals Johannes, Jakobus und Petrus, die vorgeben, nichts zu wissen oder nichts wissen wollen.

Mein "Geschehen am Ölberg" will erinnern an das Leiden Jesu, will ermutigen, sich in schweren Stunden zu überantworten in die Gegenwart Gottes, will warnen vor Gleichgültigkeit und mahnt zur Aufmerksamkeit gegenüber Menschen in Not.

Sehr verehrte Zuhörer,
Das Ergebnis und die eingereichten Arbeiten wurden an Ostern 2010 in der Alexanderkirche präsentiert.
wenn nur einer dieser Anschpüche bei dem einen oder anderen von ihnen "ankommt" und zum Nachdenken anregt... dann hat sich meine Arbeit gelohnt.

Weitere Erläuterungen siehe Wettbewerb


Auszüge aus dem Grußwort von Dekan I.R. Friedrich Necker

Als Vorvorgänger des jetzigen Dekans darf ich Sie alle zur kleinen Einweihungsfeier der Ölbergnische herzlich begrüßen. Im Namen der Marbacher Kirchengemeinde darf ich mich vor allem beim Verein zur Erhaltung der Alexanderkirche für die tatkräftige und finanzielle Unterstützung bei der Ausgestaltung der Ölbergnische bedanken. Er war die treibende Kraft. 
Ich weiß noch, wie die Anfänge des Vereins waren, als an Samstagen der Urwald rund um die Alexanderkirche gerodet werden musste. Ob Bauer, ob Notar oder Universitätsprofessor: alle kamen mächtig ins Schwitzen ob der ungewohnten Arbeit.
Es ist schön, dass die leere Höhle der Nische wieder so gefüllt ist, das der ursprüngliche Zweck deutlich wird. Christen, die hier vorbeigehen, sollen an den Beginn des Leidensweges Jesu erinnert werden, an das Gebet Jesu und an die schlafenden Jünger. Die Jünger sind typisch für die Christenheit. Sie ahnen die Gefahr für Jesu, doch sie verschließen ihre Augen vor den nahe liegenden Problemen. 

Wir beten: Herr Jesus Christus, Du hast uns den klaren Auftrag gegeben, Deine Boten und Deine Zeugen zu sein. Stärke uns, dass wir diesen Auftrag nie vergessen, dass wir als Christen nicht einschlafen, sondern mit Wort und Tat für Dich zeugen und mit Dir gehen, auch wenn der Weg beschwerlich und gefährlich wird. Schenke uns dazu die Kraft Deines Heiligen Geistes. Amen.

  
Rede von Notar i.R. Hartmut Braun, etwas gekürzt:

Wir erhalten heute eine Bronze-Plastik für diese Ölbergnische; gewissermaßen ein weiteres Sahnehäubchen unserer Alexanderkirche. 

Weniger als 20 Jahre sind vergangen, als hier Bäume, Büsche und gewaltige Brombeersträucher standen. Sie ließen die Alexanderkirche wie ein verwunschenes Märchenschloss erscheinen. 
Ein Jahrhundert, vielleicht noch länger hatte dieser Schlaf gedauert. Die ursprünglich zum Schutz der Nische angebracht gewesene Vergitterung  (möglicherweise waren es auch Holzläden wie in Murrhardt an der Walterichskapelle) war nicht mehr vorhanden, die Landschaftsdarstellung an der Hinterwand zeigte schon damals nur noch rudimentäre Reste der Malerei und die Holzfiguren der Ölbergdarstellung aus der Zeit um 1480 waren entnommen, in der Sakristei gelagert und dann zusammen mit dem Sakristeischrank 1923 zur Finanzierung der Chorfenstererneuerung an den Kunsthändler August Fried in Ulm verkauft. Die einzig bekannte Fotografie zeigt drei in der Sakristei gelagerte, nahezu   lebensgroße Figuren, nämlich Jakobus, Jesus und einen weiteren, schlafenden Jünger.

Machen wir noch einen Zeitsprung zurück:
Bis zur Reformation 1534 war die Alexanderkirche mit ihren dem Papst Alexander
zugeschriebenen Reliquien ein vielbesuchter Wallfahrtsort, vielleicht mit Andachten vor der Nische (wie für Murrhardt nachgewiesen) und heute vergleichbar mit dem Jakobsweg. Hier kreuzten die Fernhandelswege von Cannstatt nach Worms und die sogen. Römer- bzw. Salzstraße aus Richtung Hall von Bayern über Murrhardt nach Pforzheim bis ins Rheintal und Elsaß.

Stellen Sie sich nun einen Moment die Szenerie vor:
Die Ölbergdarstellung spiegelt den Garten Gethsemane; es ist Nacht; kurz vor der Gefangennahme Jesu auf dem Ölberg. Die Szene wird beherrscht von der Figur Jesu im Gebet. Am Horizont ist vage die Silhouette von Jerusalem zu erkennen. Im Hintergrund die schlafenden Jünger Johannes, Jakobus und Petrus. Als Anführer der Soldaten, die Jesus verhaften wollen, betritt Judas den Garten Gethsemane durch eine Pforte. So der Teil der Passionsgeschichte.                                                                                  

Die Darstellung soll die Einsamkeit und die Angst Jesu in der Ungewissheit seines Schicksals zeigen. Während Jesus mit seinem Gott und seiner Not ringt, schlafen seine Freunde und lassen ihn allein. Dies ist auch heute ein Abbild der Not der Menschen, ihrer zunehmenden Einsamkeit und der Erfahrung, in Schicksalsstunden allein gelassen zu werden. Es ist aber auch die zentrale Botschaft an den Betrachter, vor Gott gerade in schweren Stunden getragen zu sein, verbunden mit der Warnung vor Gleichgültigkeit und als Mahnung zur Aufmerksamkeit für Menschen in Not.

Kommen wir in unser Jahrhundert:
Im Jahre 2003 war es gelungen, den Sakristeischrank zurück zu erwerben. Die Figuren aus der Ölbergnische blieben verschollen.  
2004 erläuterte ich dem Vertreter des Landesdenkmalamts, der Ölbergnische ein der Gotik angenähertes Schutzgitter zu gönnen, die über 500 Jahre alte, nur noch fragmentarisch erkennbare Bemalung der Rückwand zu restaurieren sowie die ursprüngliche Szene neu mit Figuren zu beleben.

Es war kein leichter Kampf. Es ist richtig, dass nicht alles, was verloren ging, wieder hergestellt werden kann. Dieses Argument hörte ich immer wieder, übrigens auch vor Jahren in Dresden im Zusammenhang mit der Frage des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Es konnte aber nicht sein, dass dieser historische Schatz als Lagerplatz unfreundlicher Zeitgenossen und als Ort politischer und weltanschaulicher Parolen missbraucht wird. Der Vertreter des Landenkmalamts wurde später vom Saulus zum Paulus und unterstützte uns sehr. Im Frühjahr 2005 machte sich der Restaurator Peter Volkmer daran, die Malerei zu restaurieren und zu konservieren. In Rolf Allmendinger aus Vaihingen an der Enz fanden wir einen erfahrenen Kunstschlosser.

Es ist ein schöner Traum, aber er wird nicht gelingen. Das war die Meinung Vieler, als Arnegunde Bärlin und ich den Auftrag erhielten, für einen engeren Wettbewerb zeitgenössische Bildhauer zu suchen, die das Thema Ölbergnische wiedergeben. 

Das Ergebnis zahlreicher Gespräche mit Künstlern mündete in die Bildung einer Jury und der Ausschreibung eines Wettbewerbs zusammen mit der Evangelischen Kirchengemeinde Marbach.
Wir wollten einen künstlerischen Beitrag unserer Zeit zur zeitlosen Thematik einer Ölbergszene schaffen. Wir wollten eine Verbindung zwischen Alt und Neu herstellen, einen Dialog zwischen Historie und Moderne. Das Ergebnis steht vor Ihnen: Die Arbeit von Frau Michaela Fischer erhielt den 1. Preis.

Zum Schluß bei aller heutigen Freude: 
Das Interesse und die Verantwortung für die Alexanderkirche sind wach
zu halten und zu
stärken. Die
grundlegende Sanierung und Restaurierung, ein neues, vollständiges Glockengeläute - wie
es die Alexanderkirche noch nie hatte, eine historische Orgel mit einer Klangfülle, wie sie die Alexanderkirche
noch nie hatte, unser alter Sakristeischrank, heute nun die Ölbergnische als
Sahnehäubchen. Das waren viele Highlights. 

Ich habe zu danken:
-den Mitgliedern des Arbeitskreises und der Jury für die Durchführung des Künstlerwettbewerbs, die  Bewertung der eingereichten Arbeiten und die Auswahl der Preisträgerin, 

-allen am Wettbewerb teilnehmenden Künstlern, also auch ausdrücklich den Kollegen von Frau Fischer
-dem Architekten Matthias Weccard, dem Restaurator Peter Volkmer, Kunstschmied Rolf Allmendinger  und der Kunstgießerei Rohr.
-den Damen und Herren des Kirchengemeinderats der Evangelischen Kirchengemeinde Marbach für die  gute Zusammenarbeit.


Mein ganz besonderer Dank gilt den zahlreichen Vereinsmitgliedern und Freunden der Alexanderkirche. Eine richtig große, positive Bürgerinitiative; es waren keine Wutbürger. Künftig wird es um weniger Sensationelles gehen, als vielmehr um Unscheinbares - und dennoch ganz Substantielles!                                        


Es folgten Dankesworte von Kirchengemeinderat Werner Hertler namens der Kirchengemeinde.

Den Abschluss bildete das gemeinsam gesungene Lied "Nun danket alle Gott".



 

Wettbewerb für die Gestaltung der Ölbergnische an der spätgotischen Alexanderkirche in Marbach am Neckar (Wortlaut der  Ausschreibung)

   

Für die Alexanderkirche schreibt die Evangelische Kirchengemeinde Marbach am Neckar in enger Kooperation mit dem Verein zur Erhaltung der Alexanderkirche e.V. zur Gestaltung der Ölbergnische einen engeren Wettbewerb aus.

   

Folgende Künstler werden zu diesem Wettbewerb eingeladen:

 

Herr Christoph Feuerstein

Kirchenstraße 20

69239 Neckarsteinach

 

Frau Michaela A. Fischer

Im Mühlhof 9

74360 Ilsfeld-Auenstein


Herr Kurt Tassotti

Hauptstraße 7

75417 Mühlacker-Senkach

 

Frau Andrea Wörner

Hoffeldstraße 3

Werkstatt Schmelze 23 a

77761 Schiltach

 

Herr Joachim Sauter

Carl-Schurz-Straße 20

70190 Stuttgart


                         

      

 A.  Nähere Beschreibung der künstlerischen Aufgabe

 

1.  Information zum Objekt

An der äußeren Südseite des Chores befindet sich eine ehemalige Ölbergnische. Im Schutz des Gewölbes und eines kleinen Dachvorsprunges haben sich an ihrer Rückwand rudimentäre Reste einer auf Kalkputz gemalten Landschaftsdarstellung erhalten, welche die Silhouette von Jerusalem und die Darstellung herannahender Soldaten erahnen lassen. Der untere Teil der Rückwand ist frei von Putz. Seit 2007 ist die Nische durch ein neu geschaffenes schmiedeeisernes Gitter geschützt.

In dieser Nische standen einst Holzfiguren aus der Zeit um 1480; sie wurden 1923 zur Finanzierung neuer Chorfenster an einen Kunsthändler verkauft. Die einzig bekannte Fotografie der Figurengruppe zeigt drei in der Sakristei abgestellte nahezu lebensgroße Figuren: Jesus, Jakobus und einen weiteren, schlafenden Jünger.

Die Alexanderkirche war bis zur Reformation eine vielbesuchte Wallfahrtstätte am Kreuzungspunkt zweier alter Fernhandelswege.


2.   Zur biblischen Szene am Ölberg und zur theologischen Botschaft
     ihrer Darstellung

In Ölbergszenen wurde ein Ausschnitt aus der Passionsgeschichte dargestellt: Ort der Handlung ist der Garten Gethsemane am Ölberg. Es ist Nacht, kurz vor der Gefangennahme Jesu. Die Darstellungen werden beherrscht durch die Figur Jesu im Gebet. Vor und über ihm steht meist ein Kelch, Sinnbild des Jesus bevorstehenden bitteren Leidens. Oft ist dazu auch ein Engel dargestellt. Im Lukasevangelium (Luk. 22,43) steht, dass er Jesus im Ölberg erschien und ihn stärkte. Neben und hinter Jesus sieht man schlafende Jünger, Johannes, Jakobus und Petrus. Am Horizont ist Jerusalem zu erkennen. Als Anführer der Soldaten, die Jesus gefangen nehmen sollen, betritt Judas den eingezäunten Garten durch eine Pforte.

 
Ölbergnischen, meist außen an Kirchen angebracht, waren  in der späten Gotik  verbreitet. Die in ihnen dargestellten Ölbergszenen waren oft lebensgroße Andachtsbilder. Sie dienten über viele Jahrhunderte der Volksfrömmigkeit und werden heute darüber hinaus aufgrund ihrer kulturhistorischen Bedeutung erhalten und gepflegt.
In Betrachtung der anrührenden Szene zu Beginn der Passion Christi konnten die Menschen Anteil nehmen mit Jesus, der mit seinem Gott und seiner Not ringt, Stunden voller Angst, Einsamkeit und Ungewissheit erleidet. Seine Jünger sind ihm nah und lassen ihn dennoch allein. 


Angesichts der zunehmenden Einsamkeit der Menschen heute, ihrer Not, ihrer Zukunftsangst und ihrer Erfahrung, in Schicksalsstunden allein gelassen zu werden, aber auch die Gewissheit, von Gott gerade in schweren Stunden getragen zu sein, sind die historischen Darstellungen des Geschehens am Ölberg in ihrer Thematik immer noch aktuell. Sie warnen vor Gleichgültigkeit, mahnen zur Aufmerksamkeit für Menschen in Not und erinnern an Jesu Leiden.

B.  Leistungen

 

Es soll ein künstlerischer Beitrag unserer Zeit zu der oben aufgezeigten zeitlosen Thematik einer Ölbergszene geschaffen werden. Möglich ist eine Lösung mit einer Einzelskulptur oder einer Skulpturengruppe.

 

 1.  Zu erbringen ist ein zeichnerischer Entwurf der Gesamtsituation im M. 1:10 und die Darstellung der einzelnen Skulptur(en) in größerem Maßstab, dies entweder nur zeichnerisch oder auch in einem kleinformatigen plastischen Entwurf.

 2.  Für die Skulpturen soll ein witterungsbeständiges Material vorgesehen werden, z.B
.     Bronze oder Naturstein oder Steinguß.

 3.  Kostenvoranschlag, getrennt nach Honorar, Werkstattausführung und Einbaukosten.

 4.  Ein Erläuterungsbericht, nicht über zwei Schreibmaschinenseiten.


Varianten - außer in der Materialwahl - sind nicht zulässig.

Begutachter- Kommission

Otto Arnold                            Ev. Kirchengemeinderat Marbach

Reinhard Lambert Auer         Kirchenrat, Kunstbeauftragter der Ev. Landeskirche

Dr.   Norbert Bongartz            Landesdenkmalamt BW (bis März 09)

Arnegunde Bärlin                  Vorstand  Verein zur Erhaltung der Alexanderkirche e.V.

Hartmut Braun                       Vorstand  Verein zur Erhaltung der Alexanderkirche e.V.

Klaus Dieterle                        Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Marbach

Herbert Keim                          Architekt

Karin Kessler                         Verein zur Erhaltung der Alexanderkirche e.V.         

Dieter Kränzlein                     Bildhauer

Dr.Heinz-Werner Neudorfer    Dekan  des Kirchenbezirks Marbach  und Vorstand Verein zur Erhaltung der 
                                           
    Alexanderkirche e.V.

Herbert Pötzsch                     Bürgermeister der Stadt Marbach  und Vorstand Verein zur Erhaltung der
                                               Alexanderkirche

Prof. Dr. Helmut Sorg            Vorsitzender des Vereins  zur Erhaltung der  Alexanderkirche e.V.

Gerhard Weber                      Ev. Kirchengemeinderat Marbach

 

Die Sitzung der Begutachter-Kommission mit der Vorstellung der Beiträge der Wettbewerbsteilnehmenden fand am 16. März 2010 statt. Das Ergebnis und die eingereichten Arbeiten wurden am Ostersonntag und Ostermontag in der Alexanderkirche präsentiert. Frau Michaela Fischer aus Auenstein, die erste Preisträgerin, war anwesend und führte in ihr Werk ein.

Die feierliche Enthüllung der Bronzeplastik soll im Beisein der Künstlerin am 1. Mai 2011 nach dem Gottesdienst zum Alexandertag um 11 Uhr stattfinden.

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Es folgen die einzelnen künstlerischen Entwürfe und die entsprechenden Erklärungen dazu. Alle Rechte verbleiben den jeweiligen Verfassern.

1. Preisträgerin: Michaela Fischer

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Erläuterungen zum Entwurf der Bronzeplastik

1) Zur örtlichen Situation

Über eine großzügige Stufenführung nähert sich der Betrachter der Ölbergnische. Jeder Schritt bringt Nähe. Der unvermittelte Halt vor der Brüstung der Nische in einem Meter Höhe unterbricht die Annäherung und definiert die Raumsituation in einen Raum "innen" und einen Raum "außen". 

Für die künstlerische Darstellung ist es zunächst bedeutsam, die so geschaffene Distanz zwischen "innen" und "außen" aufzuheben, um den Besucher aus der Position des bloßen Betrachters heraus zu führen und in die Darstellung einzubinden. Deshalb ist die künstlerische Gestaltung der Ölbergszene in ihren figurativen Ausprägungen in Augenhöhe zum Betrachter gehalten.

2) Formale Aspekte der Bronzeplastik  

Im Grundriss zeigt die Bronze die symbolhaften Fragmente des jüdischen Davidsterns (vgl. hierzu Daniel Libeskind, Jüdisches Museum, Berlin). Die aufgefächerte 5teilige Wand mit einer durchlaufenden Gesamthöhe von ca 190 cm offenbart in ihren Segmenten die biblische Szene im Garten Gethsemane. Dabei impliziert die unterschiedliche Wandstellung eine unterschiedliche Tiefenwirkung, die besonders deutlich wird im Wechselspiel des natürlichen Lichteinfalls in die Ölbergnische. 

3) Zur biblischen Szene am Ölberg und ihre künstlerische Gestaltung 

Die Gestalt Jesu im Garten Gethsemane, die tiefe Verzweiflung und Angst, die Jesus umgibt, steht symbolhaft für die zunehmende Not des Menschen von heute. Wie Jesus ist der leidende Mensch in die Enge getrieben, er fühlt sich isoliert und allein gelassen, mit dem Rücken zur Wand. Die Bürde des Schicksals zwingt ihn auf die Knie. Er erstarrt in seiner Not und ist -gelähmt vor Angst- handlungsunfähig . Sein Kopf ist im Hilfe suchenden Gebet zurückgeworfen. In dieser höchsten Anspannung überantwortet er sich und wird umfangen vom Licht. Die Hand öffnet sich: Jesus nimmt sein Schicksal an. 

Die unbekleidete Darstellung ist Ausdrucksträger für die Schutzlosigkeit und Verletzbarkeit des Menschen. Kleidung würde assoziative Bezüge herstellen zur Historie, was bewusst vermieden wird. Auch das Anlitz wird durch gestalterische Drehung oder Positionierung in Abkehr zum Betrachter so dargestellt, dass eine "Identifizierung" nicht möglich ist. 

Die linke Wand offenbart die Jünger Johannes, Jakobus und Paulus. Die Schlafenden sind auf Augenhöhe im Kopf- und Handbereich vollplastisch ausgearbeitet; ihre Körper "verschwinden" gleichsam in der Wand. Die Jünger sind der zentralen Gestalt Jesu abgewandt und stehen in dieser Haltung symbolhaft für alle, die sich der Not des Anderen verschließen oder diese nicht erkennen (wollen). 

Die rechte Wandabfolge zeigt Darstellungen nach dem "pars-pro-toto" -Prinzip: Hier die denunzierende Hand, dort die hinzu eilenden Füße, den Sensation erheischenden Körpergestus. Je nach Standort des Betrachters fügen sich die Teile zum Ganzen zusammen und Judas wird erkennbar, stellvertretend für denjenigen Menschen, der aus dem sozialen Gefüge bricht und seinen persönlichen Vorteil sucht.

4) Die Bronzeplastik im Kontext der Freskomalerei 

Die kegelförmige Öffnung der Wandkonstellation lenkt den Blick des Betrachters über die Gestalt Jesu hinauf zur frei gelegten Freskomalerei. Die rudimentären Reste der auf Kalkputz gemalten Landschaftsdarstellung bleiben sichtbar und bilden so mit der vorgestellten Bronze gestalterisch eine Einheit. Der linke Flügel der Bronzeplastik mit den schlafenden Jüngern ist so gestellt, dass auch das an der linken Wandnische befindliche Fresko erkennbar ist. Die Patina der Bronze wird an das Fresko angeglichen. 

5) Zur technischen Realisierung

Das Original wird in Gips modelliert. Eine Silikonnegativform wird von der fertig gestellten Wand mit ihren plastischen Elementen hergestellt. Der Bronzeguss erfolgt nach dem Wachsausschmelzverfahren in verschiedenen Abschnitten. Die gegossenen Elemente werden nach dem Guss miteinander verschweißt, ziseliert und patiniert.




Christoph Feuerstein

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Vorüberlegungen 

Ölbergnischen entstanden aus der eigenen Frömmigkeit des späten Mittelalters, einer Wendezeit hin zum Individualismus. Darin ergibt sich eine spannende "Brücke" zur Gegenwart, zum Prozess der Vereinzelung und des Verstummens des Glaubens.
Jesus steht vor dem Scheitern seiner Mission. Mit ihm als Sohn Gottes und mit seinem Tod hat auch das denkbar größte Entgegenkommen Gottes die Menschen nicht zur Umkehr geführt, sondern zur endgültigen Selbstausgrenzung.
Zusätzlich zur Angst vor dem bevorstehenden Getötetwerden steht Jesus daher vor der Frage, wie nach ihm die Nähe und Liebe Gottes überhaupt noch vermittelt werden kann.
Im Pessachmahl, das nun zum letzten Abendmahl wird, hat er kurz zuvor einen Lösungsweg aufgetan, der in Richtung der entstehenden Kirche weist. In der Fußwaschung hat er die ins Letzte gehende Liebe Gottes symbolisch sichtbar gemacht. Ihre Verwirklichung steht jetzt in Form des Leidens, in dem wohl fürchterlichsten Tod, den man sich vorstellen kann, vor ihm.
Seine Selbsthingabe an Gott führt ihn in eine absolute Einsamkeit. Er ist der einzige, der Gott wirklich geliebt hat und zugleich der erste, der sich ganz aufgibt, daher aber auch dem Tod die größte Angriffsfläche bietet. 

Gestaltungsideen 

Einsamkeit und Ausgeschlossensein Jesu kommen zum Ausdruck, indem man ihn abweichend von der traditionellen Ikonographie als Einzelfigur darstellt, sei es im Zentrum der Nische, oder auch seitlich versetzt.
Das erzählerische Moment der spätmittelalterlichen szenischen Ölbergdarstellungen hat zwar bleibenden pädagogischen Sinn, wird aber von heutigen analytisch prädisponierten Betrachtern möglicherweise zu schnell als "historisch" abgetan.
Eine mehr naturalistische ModelIierweise dieser Figur wiederum stellt eine besondere Herausforderung dar, könnte aber auch eine Verbindung zur traditionellen Ikonographie schaffen und dennoch individuell ansprechen. 

Die Einsamkeit Jesu wie auch die Intensität der Szene werden verstärkt durch eine leichte Abwendung der Figur vom Betrachter und durch den dunklen Hintergrund. Seine gegenstandslose Farbfläche spricht nur das Empfinden an, nicht den Intellekt und erinnert an das singuläre Dunkel der Situation Jesu.
Zugleich macht sie den "historischen Abriss" deutlich - abgetrennt von der Welt der Farben darüber. 

Das Fragmentarische des untergliederten Gesamtbildes der Nische kann so an die fragmentarische Glaubenserfahrung heute erinnern. 

Jesus wählte als letzten Aufenthaltsort über den er frei bestimmen konnte den ÖIberg. Er liegt außerhalb der Stadt, dem Tempelberg gegenüber. Darin kommt Jesu theologischer Anspruch als "neuer Tempel", aus "lebendigen Steinen", zum Ausdruck. Es sind die Stunden des Übergangs zum Neuen Bund. 

Ölberg und Tempelberg werden angedeutet durch den geometrischen Kugelschnitt, auf welchem rechts Jesus kniet und links der Tempel steht. Der Umriss beider "Berge" ist einer, aber ein Einschnitt hat doch stattgefunden: das Tal des Baches Kidron. Dieser steht für Jesu persönliches Pessach, seinen "Übersprung" als wahres Opferlamm.
Tal und Bach können als "Aufbruch" verstanden werden, mit Flanken, die einander im Verlauf der Abrisskante korrespondieren, jedoch eben auch getrennt sind. Im Riss erscheint die Schlange aus der Genesis. 


Jesus kniet symbolisch auf den Trümmern seines Wirkens. Aus ihnen wachsen aber auch Olivenzweige heraus, und unter seinen Füßen fügen sich Formen zu Architekturelementen zusammen, welche die entstehende Kirche zeigen, den Grundriss des neuen Heils. 

Ein erstes Zeichen des neuen Heils findet sich bereits im AT in Gestalt der Taube mit dem Ölzweig im Schnabel. Sie zeigt Noah das Ende der Sintflut, der alles überde¬ckenden Vergänglichkeit an. Daher ist die Olive Symbol der Ewigkeit und des ewigen Lebens. 

Auch das aus ihr gefertigte Chrisamöl, das bis heute für die Salbung von Königen, Priestern, Kindern und Kranken Verwendung findet, steht für das Heil. In ihm fallen Licht und Materie ineins. Jesus ist nun der Messias, der "Christus", der Gesalbte.
Da das Salböl dem Gesalbten Glanz verleiht und Licht auf seinen Körper bringt, wür¬de es Sinn machen, im Falle eines Bronze- oder Aluminiumgusses die Figur leicht glänzend zu lassen. 

Die kosmische Dimension der Entscheidung Jesu für unser Heil ist angedeutet durch den Erdumriss, der in dünner Linie im Hintergrund erscheint. Sein Verlauf korrespondiert mit der Bogenlinie der beiden "Berge". 

Die vier Gitternetze erinnern an das, was Jesus in diesen Stunden des Abschieds bewegt haben könnte. Sie assoziieren sich zu einem Kreuz als Negativform. In seiner Mitte erscheint in Gestalt eines "Sternbildes" der Kelch, als Zeichen von Jesu Schicksal. Die Längengrade der Erde wiederum münden in dieses Kreuz, das so zur neuen Bezugsachse der Welt und zum Beginn einer neuen Weltzeit nach Christus wird. 

Faltung und Anordnung der Gitterkörper ergeben verschiedene Ebenen und damit Tiefendimensionen. Spiegelnde Flächen erzeugen Reflexionen und PerspektivwechseI. In die Spiegel eingeritzte Satzfragmente könnten zusätzlich an Jesu und unsere Fragen Zweifel und Ängste erinnern.


Als Themen für Reliefflächen in den Gittern sind die "Sündenfälle" denkbar (Adam-Eva (Sünde zwischen Mensch und Gott), Kain-Abel (individuelle Sünde unter Menschen), Babel (kollektive Sünde)), um auf Christus als neuen Adam hinzuweisen. Ihre umgekehrte Anordnung machte deutlich, dass zum richtigen Verständnis der Ursünde "rückwärts" gelesen werden muss, d.h. zuerst müsste klar sein, was die Bibel unter Babel und Sprachverwirrung versteht. 

Möglich wäre auch die Verklärung auf Tabor, als "Spiegelszene" zur Ölbergszene - die Metamorphosis kann als Bestätigung Jesu durch den Himmel verstanden werden, dadurch an die Auferstehung erinnern und insofern auch als Trostbild für Jesus in seiner Situation jetzt dienen. 

Der Auszug aus Ägypten könnte abschließend noch auf Jesus als das neue Pessachlamm hinweisen, das für uns den Tod überwunden hat. 



Joachim Sauter

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Entwurfsbeschreibung

Für die bestehende Nische an der Alexanderkirche in Marbach soll ein modernes Bild für die Ölberg-Szene geschaffen werden. Die biblische Schilderung markiert den Beginn der Passionsgeschichte Jesu: er ist von Todesangst gezeichnet, im Gebet mit Gott, während die Jünger in Schlaf fallen. Die geschilderte Situation steht für Verzweiflung und Einsamkeit des Einzelnen, für die Gleichgültigkeit der Mitmenschen und die Hinwendung zu Gott. 

Bilder von verzweifelten Menschen sind allgegenwärtig: Erdbebenopfer in Haiti, Obdachlose in Zeltstädten nach einem Tsunami, Aidskranke ohne ärztliche Versorgung in den Slumvierteln Afrikas - jeden Tag flimmern Bilder von Not und Elend über unsere Fernsehbildschirme und berichten in Echtzeit vom Leid der Menschen. Doch die tägliche Berichterstattung bringt uns die Menschen in ihrem Leid nicht wirklich näher - oft bleiben Gleichgültigkeit und Abgestumpftheit angesichts von abstrakten Zahlen.

Diese Distanz gegenüber den Mitmenschen, die auch im Bild von Jesus Lind den schlafenden Jüngern aufscheint, ist ein wichtiges Element, das ich mit meiner Arbeit thematisieren möchte. Ausgangspunkt meiner Idee war ein Zeitungsbericht über die (christlichen) Zabbalin in Ägypten, die als Müllmenschen am Rande Kairos buchstäblich im und vom Müll leben. Eine ausweglose Situation für diese Menschen, wie man sie in allen Großstädten der Dritten Welt finden kann. 

Im Mittelpunkt steht eine weibliche Figur, die mit bloßen Füßen in einer Mülllandschaft steht und mit dieser geradezu verwachsen zu sein scheint, Ausdruck von Ausweglosigkeit und Ergebenheit in das Schicksal. Durch die bildnerische Umsetzung dieses Ausgeliefertseins eines Menschen in einer Einzelfigur wird es dem Betrachter möglich, sich der Situation des Dargestellten zu nähern und sich darüber Gedanken zu machen. 

In einer zweiten Ebene der Darstellung habe ich ein Bild des betenden Jesus im Garten Gethsemane an die Rückwand gehängt, wie ein aus dem Müll gerettetes Plakat. Rechts davon ragt aus dem Müllberg ein goldener Becher. In diesen beiden Elementen erkennt man die traditionelle Darstellung des Geschehens am Ölberg wieder, dazu tragen auch die Malereifragmente auf der Nischenrückwand bei. Gleichzeitig rahmen diese vertrauten Bildbestandteile die Darstellung heutigen Leidens ein und weisen auf die Aktualität der biblischen Schilderung hin. 

Eine dritte Bildebene entsteht mit dem Zuschauer: er wird zum Zeugen des Geschehens, zum Adressaten - zugleich rutscht er in die Rolle der schlafenden Jünger, die „vor Traurigkeit in Schlaf fallen" und scheinbar nichts tun können. Die Distanz des Betrachters wird noch zusätzlich verstärkt durch das bestehende Gitter, das ursprünglich die Umfriedung des Garten Gethsemane symbolisiert. 

Alle Teile der Skulpturengruppe werden in Bronze gegossen, patiniert und teilweise bemalt. Die Befestigung der einzelnen Elemente richtet sich nach den denkmalpflegerischen Vorgaben.



Kurt Tassotti

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Sehr geehrte Damen und Herren, 

in der Ölbergnische befindet sich die über 500 Jahre alte in Fragmenten erkennbare Darstellung des Gartens Gethsemane am Ölberg. Der Garten ist der Handlungsort. 

Bezug nehmen auf die bemalte Rückwand der Nische ist diese die erste Ebene und der Ausgangspunkt meines Konzepts der drei Gestaltungsebenen. 

Die zweite Ebene das Bronzerelief zeigt die Apostel, Johannes, Jakobus und Petrus. Die Gruppe vermittelt durch die dichte Anordnung Schutz und Geborgenheit.
Die faltenreiche Fülle der Gewänder unterstreicht die Tiefe des Schlafes. 

Die dritte Ebene zeigt Jesus als vollplastische Figur, die Hand zu Gottvater erhoben, er möge den Kelch vorüberziehen lassen. 
Sein Gewand ist eng um seinen Körper gelegt. Die fallenden Falten wirken eher nervös und vermitteln anschaulich den Zustand der Verzweiflung und des Haders, in dem sich Jesus befindet. Über ihm der Kelch als Symbol für das bevorstehende leiden und den Tod Jesus und zugleich sein erlösendes Handeln an uns
.
Seine abgewandte Haltung von der Gruppe weist auf die Einsamkeit und Angst in der Ungewissheit seines Schicksals hin.

Die Darstellungsdynamik innerhalb der Gruppe assoziiert Raumtiefe und eine Tendenz in Richtung nach oben und unterstreicht somit die Botschaft auf Gott zu vertrauen. 

Das Material Bronze unterstreicht mit seiner Wertigkeit die künstlerische Arbeit und schützt die Kunst gegen Einwirkungen von außen. 

Gez. Tassotti




Andrea Wörner

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Erläuterungsbericht zum Entwurf einer Ölbergszene

 Zur Komposition:

Verschiedene Raumebenen spielen für den Entwurf eine Rolle:

     -     Der Weg zur Ölbergnische führt an der Südseite, außen am Kirchenschiff entlang, vor der
            überdachten Nische ist er leicht ansteigend (Stufen sind geplant).
     -     Die Nische selbst liegt ca. ein Meter erhöht und mit einem Gitter geschützt.
           Der Raum hat einen rechteckigem Grundriss.
     -     Die Darstellung des Handlungsortes Jerusalem ist in der Fläche (Rückwand) dargestellt und
           nur noch fragmentarisch erhalten.

Der großen Form der Gesamtkomposition lege ich ein Dreieck zugrunde, welches wiederum in zwei Hälften geteilt ist.
Die Leserichtung im Abendland ist von links nach rechts, rechts ist immer das was wichtig / teuer ist (Bestplatzierung von Werbung in Magazinen deshalb immer rechts).
Jesus nimmt deshalb die rechte Seite ein, links als Gegengewicht sozusagen ist alles andere, die schlafenden Jünger (Petrus mit Attribut Schlüssel dargestellt), der Ölbaum/ Olivenbaum, und der herannahende Judas.

Auf die Darstellung eines Engels habe ich verzichtet. Die Transzendenz einer Engelserscheinung rückt die Szene in eine Welt fernab von der unseren,
ich wollte den Bezug zum Irdischen, damit sich die Betrachter direkter angesprochen fühlen.

In der Mitte steht ein Ölbaum, ein Olivenbaum, der schützend sein Laub über die Schlafenden streckt und einen Bogen hin zum herannahenden, schon im Garten stehenden Judas zieht. Der Jünger Judas, mit einem Beutel in seiner rechten Hand ( 30 Silberlinge) ist bereit Jesus an die noch außerhalb des Gartens stehenden Soldaten zu verraten.

Die Gegenüberstellung derjenigen, die auf der "sicheren Seite" sind mit demjenigen, der eigentlich Beistand und Hilfe benötigt steigert die Dramatik der Situation ins schier Unerträgliche.
Im Beisein, in unmittelbarer Nähe seiner engsten Weggefährten erfährt Jesus hier nicht als Christus Pantokrator, sondern als Mensch Gleichgültigkeit und Verrat.

Zum Stil:

Die Darstellung soll zur Kirche passen, nicht historisierend sein, sondern modem. In Anlehnung an die Gotik habe ich folgende Stilmerkmale herausgegriffen

          -   die Architekturbezogenheit der Figuren haben sich im Gegensatz zu Romanik von der Wand
              gelöst, sind aber trotzdem statisch, in sich ruhend
         -   Figurengruppen, ( sehr beliebt waren die Christus - Johannes -Gruppen oder Pietas)

Um den Bezug zur Gegenwart zu schaffen stelle ich die Figuren mit ihren Gewändern ( Tuniken) in einer natürlichen Bewegung dar, mit einer schraffierten, griffigen Oberfläche, (nicht glatt).

Beim Bronzeguss bevorzuge ich den Skulpturen die Gusshaut zu erhalten und nicht wie üblich, sandzustrahlen um dann die Patina zu schaffen.( Rohguss, punktuell ziseliert, Angusskanäle selbstverständlich farblich angeglichen).

Zur Materialwahl

Gewünscht war ein witterungsbeständiges Material, da die Ölbergnische außen angebracht ist. Das Material Holz ist in diesem Falle, einer Südseite, bei den zu erwartenden hohen Temperaturunterschieden eher nicht geeignet. Ich schlage folgende Materialien vor:

für die Skulpturen Bronze, Oberfläche: Gusshaut, stellenweise ziseliert,
für den Unterbau, bzw. die Landschaft: gelber Sandstein.


 

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